Wie Sie neue Mitarbeiter schon vor dem ersten Arbeitstag binden (müssen)

Ich erspare uns an dieser Stelle das grundsätzliche Blabla zum Thema Arbeitskräfte-Mangel. Wenn Sie in den letzten drei Jahren nicht auf einer Mars-Mission waren, dann wissen Sie, dass die Aussicht, passende Mitarbeiter zu finden, katastrophal ist. Und: Es. Wird. Noch. Schlimmer.

Deshalb widmen wir uns heute einem Thema, das wichtig ist, wenn ein neuer Mitarbeiter seinen Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Dem Onboarding.

Für den Begriff und seine Bedeutung gibt es keine einfache Übersetzung ins Deutsche. Onboarding umfasst alle Maßnahmen rund um die Einstellung, Einführung und Eingliederung neuer Mitarbeiter.

Früher hieß Onboarding: Arbeitsvertrag unterschreiben, am ersten Arbeitstag erscheinen, kleine Begrüßungsrunde (Menschen), kleine Einführungsrunde (Hard- und Software), anfangen zu arbeiten. Das war einmal.

Mitarbeiter von heute erwarten mehr. Insbesondere die junge Generation.

Vor Corona hörte ich davon, dass Auszubildende in der Versicherungsbranche am ersten Arbeitstag nicht erschienen und sich zwischenzeitlich für eine andere Ausbildungsstelle entschieden hatten. Seit Corona erzählen mir Kunden, dass auch gestandene Fach- und Führungskräfte nicht zum neuen Job erscheinen. Mit etwas Glück sagen die Kandidaten vorher auch ab. Das kann unterschiedliche Gründe haben, die der Arbeitgeber oft erst nach verzweifeltem Nachfragen erfährt.

Was können Sie tun, wenn Sie nach langem Suchen endlich einen passenden Kandidaten gefunden haben und beide Unterschriften im Arbeitsvertrag getrocknet sind?

1. Besiegeln Sie den Arbeitsvertrag mit einem Handschlag und sprechen Sie Ihre Freude über die Zusammenarbeit aus. Sind in dem Moment mehrere Vertreter des Unternehmens anwesend, schüttelt jeder die Hand des neuen Mitarbeiters. Sind Familien-Angehörige des Kandidaten dabei, schüttelt der Chef auch die Hände der Familien-Angehörigen. Für Sie mag das kindisch klingen, aber unterschätzen Sie nicht die psychologische und emotionale Bindungswirkung.

Oft hat der Mitarbeiter eine Kündigungsfrist von zum Beispiel drei Monaten, in denen viel, viel, viel passieren kann.

2. Irgendwann muss Ihr neuer Mitarbeiter seinem alten Chef sagen, dass er kündigen wird. Manchmal passiert das erst nach Unterschrift des neuen Arbeitsvertrages. Sicher ist sicher. Wenn ich meinem Chef erst mal gesagt habe, dass ich gehe, ist die Stimmung im Keller. Und wenn dann der neue Arbeitsvertrag nicht in Sack und Tüten ist, kann das unangenehm werden.

Fragen Sie also schon im Vorstellungsgespräch, was der Mitarbeiter an seinem jetzigen Job vermisst und zeigen Sie ihm, dass Sie ihm das geben können. Bieten Sie ihm Hilfe an bei der Vorbereitung auf das Gespräch mit seinem jetzigen Chef. Was passiert, wenn dieser ihm plötzlich mehr Geld oder bessere Arbeitsbedingungen bietet?

Ich habe auch schon bei zwei befreundeten Unternehmen erlebt, dass der neue Chef den alten Chef angerufen und den Wechsel mit ihm besprochen hat. Leider hab ich auch schon das Gegenteil erlebt, dass der Wechsel in ein befreundetes Unternehmen klammheimlich erfolgte. Muss das sein?

3. Wenn der alte Job gekündigt und der neue Arbeitsvertrag unterschrieben ist, geht die Arbeit für Sie los. Machen Sie nicht den Fehler, und warten Sie stumm auf den ersten Arbeitstag, der, wie gesagt, ja noch drei Monate hin sein kann.

Behandeln Sie den Mitarbeiter ab sofort wie alle Mitarbeiter. Halten Sie ihn über alles auf dem Laufenden, das im Unternehmen passiert. Laden Sie ihn zu jeder Feierlichkeit ein. Schicken Sie ihm ab und zu einen Gruß per SMS oder ein Foto oder kurzes Video über WhatsApp. Oder seiner Frau einen Strauß Blumen. Fragen Sie im Vorfeld nach den Geburtstagen der Familien-Angehörigen. Schicken Sie ein kleines Geschenk.

4. Stellen Sie den neuen Kollegen vor Arbeitsbeginn in einer kurzen E-Mail allen Mitarbeitern im Unternehmen vor. Bitten Sie die Mitarbeiter, sich mit dem neuen Kollegen auf Xing oder LinkedIn zu verbinden und ihm einen herzlichen Willkommensgruß zu schicken.

5. Finden Sie einen Kollegen, wenn Sie es als Chef nicht selbst machen, der den neuen Mitarbeiter an die Hand nimmt und in der Probezeit sein Ansprechpartner für alle Fragen und Anregungen ist. Dieser Pate oder Mentor schreibt dem neuen Kollegen einen Tag nach Unterschrift unter den Arbeitsvertrag eine persönliche E-Mail, stellt sich vor und bietet seine Unterstützung und ein Kennenlern-Telefonat an.

6. Schicken Sie dem neuen Mitarbeiter zwei Tickets für eine Veranstaltung, die ihm gefallen wird. Fragen Sie zuvor nach seinen Hobbys, Interessen und Leidenschaften.

7. Wenn Sie besondere Mitarbeiter-Vorteile anbieten, schicken Sie ihm jeweils eine kurze E-Mail. Preisen Sie jeden Vorteil in einer separaten E-Mail an und zeigen Sie ihm, wie er zum Beispiel ein Jobrad oder eine Mitgliedschaft im Fitnessclub bekommen kann.

8. Laden Sie den Mitarbeiter und seinen Lebenspartner oder seine Familie zu einem Abendessen ein. Gibt es einen besonderen Anlass oder Feiertag, den sie dazu nutzen können? In einem kleinen Unternehmen ist das Chefsache. In einem größeren Unternehmen lädt der zukünftige direkte Vorgesetzte ein.

9. Schicken Sie Ihrem zukünftigen Mitarbeiter Ihr Weiterbildungs-Programm. Falls Sie das Angebot eines Dienstleisters, Versicherers oder Maklerpools nutzen, schicken Sie dieses Angebot. Bitten Sie den Mitarbeiter, sich drei Angebote auszusuchen, die er gerne wahrnehmen möchte. Ganz nebenbei sollte ständige Fortbildung in Ihrem Unternehmen und für jeden Mitarbeiter eine hohe Priorität haben. Auch das spricht sich rum und hilft Ihnen beim Recruiting.

10. Richten Sie Ihrem Mitarbeiter einen angemessenen Arbeitsplatz im Home-Office ein. Die Königsklasse sind ein ergonomischer Bürostuhl, ein höhenverstellbarer Schreibtisch, zwei Bildschirme, ein perfekt und vollständig ausgestattetes Notebook, ein dienstliches Smartphone und ein professionelles Headset. Besprechen Sie die erforderliche Ausstattung und den Lieferzeitpunkt mit dem neuen Mitarbeiter spätestens zwei Wochen vor Arbeitsbeginn.

11. Der erste Arbeitstag sollte dem neuen Mitarbeiter in bester Erinnerung bleiben. Sorgen Sie dafür, dass er abends zu Hause was zu erzählen hat und sich schon auf den zweiten Arbeitstag freut. Sie denken, ich muss das nicht extra betonen, aber die Realität sieht oft anders aus.

12. Richten Sie den Büro-Arbeitsplatz des neuen Mitarbeiters schon vor dem ersten Arbeitstag perfekt ein. Nichts ist peinlicher, als dass ein Notebook erst besorgt oder eingerichtet werden muss oder man am Headset noch die Spuren des Vorgängers sieht. Wenn der Mitarbeiter am Montag anfängt, ist es Ihre Aufgabe als Chef oder die Aufgabe des Abteilungsleiters, am Mittwoch davor zu überprüfen, ob der neue Arbeitsplatz perfekt eingerichtet ist. Das gilt auch für E-Mail-Adresse, Software und Zugriffsrechte (mit Übergangspasswort). Zur Not bleiben zwei Tage, um Dinge zu korrigieren.

13. Nutzen Sie die Probezeit, um den neuen Mitarbeiter maximal zu unterstützen. Es geht nicht nur ums Kennenlernen und um die Überprüfung, ob der Mitarbeiter wirklich passt. Auch die Zeiten sind vorbei. Wie gesagt, behandeln Sie den Mitarbeiter wie alle anderen Mitarbeiter.

14. Sprechen Sie einmal die Woche, vielleicht am Freitag nach Mittag, mit Ihrem neuen Mitarbeiter und seinem Paten über alles, was ihn bei der Arbeit bewegt. Probleme, Verbesserungs-Vorschläge, alles. Wenn möglich, nicht in einem Video Call, sondern Auge in Auge an einem runden Tisch. PS: Falls Sie keinen kleinen runden Besprechungstisch haben, besorgen Sie sich einen. Am runden Tisch sitzt man nicht gegen-über, sondern mit-einander.

15. Verteilen Sie die zuvor genannten E-Mails und Aktivitäten über die verbleibende Zeit bis zum ersten Arbeitstag. Wenn es wirklich drei Monate dauert, bis der neue Mitarbeiter anfängt, kann diese Zeit ganz schön lang sein.

Verbocken Sie es nicht!